Höchstrichterlich geklärt: Umziehen und Duschen ist zu vergütende Arbeit!

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer jüngeren Entscheidung höchstrichterlich geklärt, dass Umziehen und Duschen als Arbeitszeit gewertet werden kann, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vergüten muss (vgl. BAG, Urt. v. 23.04.2024, 5 AZR 212/23).
Sind die Tätigkeiten des Arbeitnehmers mit einer solchen Verschmutzung des Körpers verbunden, dass dem Arbeitnehmer ein Anlegen der Privatkleidung und der Weg nach Hause nicht zugemutet werden kann, handelt es sich um vergütungspflichtige Arbeitszeit.
Danach sind Körperreinigungszeiten als Arbeitszeit zu betrachten, wenn die Arbeit mit einer sehr starken Verschmutzung des ganzen Körpers einhergeht oder wenn Arbeiten mit sehr stark geruchsbelästigenden Stoffen ausgeübt werden.
Das BAG stellt hierzu folgende Grundsätze auf:
„Die Ganzkörperreinigung (Duschen) gehört nur dann zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit, wenn sie mit der eigentlichen Tätigkeit und der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Das ist er Fall, wenn die Erbringung der Arbeitsleistung ohne anschließendes Duschen bei wertender Betrachtung nicht möglich erscheint und der gesamte Vorgang – arbeiten und duschen – deshalb fremdnützig ist. Nicht jede im Verlauf eines Arbeitstags auftretende Verschmutzung oder Verunreinigung „erfordert“ damit ein Duschen in dem hier maßgeblichen Sinn, das in unmittelbarem Zusammenhang mit den vom Arbeitgeber zugewiesenen Tätigkeiten steht. Das Waschen, das erforderlich ist, um die übliche Verunreinigung, Schweiß- und Körpergeruchsbildung des Tages zu beseitigen, dient der Befriedigung privater Bedürfnisse; es ist nicht ausschließlich fremdnützig und damit nicht vergütungspflichtig.“
Maßstab für die Einordnung, ob es sich um Arbeitszeit handelt, können arbeitsschutzrechtliche Vorschriften, wie die Arbeitsstättenverordnung sein.
Bei nur mäßig schmutzenden Tätigkeiten wird eine Ganzkörperreinigung keine Arbeitszeit darstellen. In solchen Fällen wird eine Reinigung lediglich der verschmutzen Körperteile ausreichend und als Arbeitszeit einzustufen sein.
Wie so häufig, ist es immer eine Frage des Einzelfalls.
In dem Fall vor dem BAG hatte ein Arbeitnehmer über Jahre hinweg entsprechende Arbeitszeiten angesammelt, so dass insgesamt eine Forderung von über 20.000,00 Euro im Raum stand.

Sollten auch Sie in einem ähnlich gelagerten Fall juristische Unterstützung benötigen, stehen wir Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite.

gez.
Oliver Offermann
Rechtsanwalt

Verfällt Urlaub bei Langzeiterkrankten nach 15 Monaten? – EuGH entscheidet in Kürze!

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird sich in Kürze mit einer Vorlage des Bundesarbeitsgerichts (BAG) befassen.
Das BAG hat dem EuGH am 07.07.2020 eine Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob der Urlaub von langzeiterkrankten Arbeitnehmern entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des EuGH nach 15 Monaten verfällt.
Der EuGH hat bereits am 22.11.2011 (-C 214/20-[KHS]) entschieden, dass Urlaubsansprüche bei lang anhaltender Erkrankung 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres erlöschen.
Nach einer neueren Entscheidung des EuGH ( 06.11.2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) dem sich der 9. Senat des BAG bereits am 19.02.2019 angeschlossen hat, verfällt der Urlaub am Ende des Kalenderjahres oder zum 31.03. des Folgejahres nur dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Vorfeld konkret aufgefordert hat, seinen Urlaub rechtzeitig im Urlaubsjahr zu nehmen, und ihn darauf hingewiesen hat, dass dieser andernfalls verfallen kann, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat – wir hatten bereits über diese Entscheidung berichtet – https://rechtsanwalt-offermann.de/revolutionaeres-urteil-des-europaeischen-gerichtshofs-zum-urlaubsrecht-in-deutschland/

Nun wird der EuGH entscheiden, ob er an seiner Rechtsprechung festhält, dass der Urlaub bei Langzeiterkrankten wie bisher auch dann entfällt, wenn die Belehrung des Arbeitgebers über den Verfall des Urlaubs unterbleibt.

Die Entscheidung hat eine weitreichende Bedeutung und praktische Relevanz sowohl aus Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmersicht.
Häufig kommt es aufgrund von Langzeiterkrankungen zu krankheitsbedingten Kündigungen und es stellt sich die Frage, in welchem Umfang nicht genommener Urlaub finanziell abzugelten ist.
Die Entscheidung aus Luxemburg wird nun mit Spannung erwartet – wir werden berichten.

gez.
Oliver Offermann